WIR - Unternehmerinnen und Unternehmer im Gespräch
WIR-Wirtschaftsnetzwerk Mitbegründerin Sabine M. Fischer
im Interview zu Arbeit und Verantwortung einer Interessensvertretung für alle Unternehmen, insbesondere Einpersonen- und Klein- und Mittel-Unternehmen
Frage: Warum wurde in Wien eine überparteiliche Wählergruppe für die Wirtschaftskammerwahl gegründet?
Sabine M. Fischer: Ich bin seit 2010 im Fachgruppenausschuss einer der größten Fachgruppen, der UBIT-Wien (Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie). Seit damals setze ich mich dafür ein, dass die Fachgruppen-Organisation selbst innovativer und diverser wird: Näher an alle Mitgliedsunternehmen, unabhängig von einer Parteizugehörigkeit, und mehr Sichtbarkeit und Beteiligungsmöglichkeiten für Unternehmerinnen.
Dabei war ich fünf Jahre auf einem Mandat des Wirtschaftsbundes/ÖVP und fünf Jahre auf einem Mandat von Unos/NEOS. In beiden Fällen habe ich die Abhängigkeit von der jeweiligen Parteipolitik und die Fokussierung auf die Funktionäre und die Abgehobenheit gegen die Mitglieder erlebt.
Unternehmerische Interessenvertretung funktioniert aber besser ohne Parteipolitik und mit klarem Fokus auf die Unternehmerinnen und Unternehmer, nicht auf die kleine Gruppe der Funktionärinnen und Funktionäre. Insbesondere die Einpersonen-Unternehmen, das sind fast 60% in unserer Fachgruppe, brauchen eine moderne aktive Interessensvertretung, die ebenso professionell und kundenorientiert arbeitet, wie das jede Unternehmerin und jeder Unternehmer am Markt tun muss.
Aus diesen Gründen habe ich WIR – Wirtschaftsnetzwerk mitbegründet: Für Wirtschaft – ohne Partei.
Fischer: WIR treten in Wien ganz bewusst und konzentriert auf die größte Fachgruppe der wissensbasierten und zukunftsnotwendigen Dienstleistungen, der UBIT, an und WIR sind die Liste mit dem höchsten Frauenanteil, 56%:
5 Unternehmerinnen und 4 Unternehmer aus den Bereichen Business Development, Gründungsberatung, Human Resources, Startup und IT sind damit jetzt für fast 18.000 aktive UBIT-Wien-Unternehmerinnen und Unternehmer wählbar.
Warum haben Sie sich bereit erklärt, Spitzenkandidatin zu sein?
Fischer: Die Entwicklung von Menschen und Organisationen war und ist immer Ziel und Aufgabe meiner beruflichen Ausbildungen und Tätigkeiten. Als Kind der 1960er Jahre habe ich die Entwicklungen von einer Industrie- zu einer Wissensgesellschaft mit allen Chancen und Risiken an den von mir beratenen Unternehmen und ihren Führungskräften und Mitarbeitenden und an mir selbst hautnah miterlebt.
Veränderungen sind immer dann positiv produktiv, wenn sie einen Ausgleich zwischen verschiedenen wesentlichen Interessen schaffen. Deshalb ist eine starke Interessensvertretung für UBIT-Unternehmen, insbesondere für Einpersonen-Unternehmen (EPU) und Klein- und Mittelunternehmen (KMU), ganz wichtig. Sie bilden mit 99,6% aller Unternehmen das Rückgrat unserer Wirtschaft.
Aber sie ist für ihre Mitglieder nur sinnvoll, wenn sie zu den immer komplexeren Anforderungen der Unternehmerinnen und Unternehmer am Markt passt. Dies kann – wie übrigens auch in Unternehmen – nicht mehr von einigen wenigen hierarchisch denkenden Funktionären überblickt werden. Noch dazu, wenn diese fast ausschließlich in einem eigenen sich-selbst-beauftragenden und sich-selbst-reproduzierenden System tätig sind.
Ich habe die Vision, von einer Wirtschaftskammer, in der jede Unternehmerin und jeder Unternehmer gerne freiwillig Mitglied ist, weil es dort statt Funktionärs-Marketing sinnvolle Business-Struktur-Unterstützung insbesondere für EPU und KMU gibt.
Was ist Ihr Nummer-1-Thema für die Wahl?
Fischer: WIR wollen, dass die Grundumlagen für die Themen-Marktpräsenz unserer Mitglieds-Unternehmen eingesetzt werden, nicht für das Marketing von Funktionärinnen und Funktionären.
Denn die Potenziale der Fachgruppe UBIT-Wien, Einpersonen-Unternehmen und Klein- und Mittelunternehmen in ihrem Business zu unterstützen, sind enorm!
- Kontakte zu anderen Branchen-Unternehmen über die Kammerstrukturen
- Zugang zu Entscheidungsträgern in Wissenschaft, Forschung und Behörden
- 815.000 Euro Aktivitäten-Budget aus Mitgliederbeiträgen (Grundumlage)
Von diesen 815.00 Euro werden für 2020 in der UBIT Wien veranschlagt
- 615.150 Euro für Öffentlichkeitsarbeit (400.000) und Veranstaltungen (215.150), in deren Mittelpunkt vorwiegend Funktionärinnen und Funktionäre stehen und
- nur ein Zehntel, 62.000 Euro, für von Mitgliedern gebildeten und organisierten UBIT Experts Groups und Arbeitskreise, die sich um die Entwicklung und Marktpräsenz von Fachthemen kümmern.
WIR möchten dieses Verhältnis umdrehen. Unsere Vision ist eine Fachgruppe UBIT, die ihre Mitglieder in den Vordergrund stellt und nicht ihre Funktionärinnen und Funktionäre.
Was sind die dringendsten Wünsche an die Regierung zur anlaufenden Steuerreform?
Fischer: Im Nationalratswahlkampf waren sich alle Parteien einig: Die kalte Progression muss abgeschafft werden. Im Regierungsprogramm steht dazu wieder nur eine schwammige Formulierung.
Ich wünsche mir von der neuen Regierung weniger Selbstdarstellung und Inszenierung und mehr konkretes Tun – für alle Unternehmerinnen und Unternehmer, nicht nur für die eigene Klientel.
Wie lässt sich das Umwelt- und Klimabewusstsein mit einem wachsenden Energieverbrauch durch datengetriebene Business-Modelle verbinden?
Fischer: Wir verdanken unseren Wohlstand einer sich entwickelnden Wirtschaft. IT-Technologien bieten auch Einpersonen-Unternehmen und Klein- und Mittelunternehmen neue Business-Chancen.
Die Strukturen, die es braucht, um dabei energieeffizient zu arbeiten, wie z.B. durch wassergekühlte IT-Racks in Rechenzentren oder durch die Nutzung von Abwärme beim Betrieb von Serverzentren für das Fernwärmenetz, können nicht von den einzelnen Unternehmen gelöst werden. Dafür sind staatliche Infrastruktur-Entscheidungen notwendig.
Dazu brauchen wir alle eine moderne und innovative Interessensvertretung, die dies von der Regierung konsequent einfordert und im eigenen Wirkungsbereich solche Ansätze durch zukunftsorientiertes Tun unterstützt. Werbewirksames Lippenbekenntnis-Marketing hilft da niemanden.
Ein Mindestlohn von 1.700 brutto für eine 40-Stunden-Woche ist …
Fischer: … denkbar und möglich. Drei Themen müssen aber vorher erledigt werden:
Erstens, mehr Netto vom Brutto, das heißt runter mit den Lohnnebenkosten.
Zweitens, den Dschungel an Förderungen transparent und für Einpersonen-Unternehmen und Klein- und Mittelunternehmen kostenschonend zugänglich machen.
Und Drittens muss die Öffentliche Hand als Auftraggeber endlich mindestens so rasch ihre Rechnungen bezahlen, wie es österreichische Privatunternehmen schon lange tun. Das ist in einem sich ständig verschärfenden Preiswettbewerb für EPU und KMU überlebensnotwendig!
WIR-Wirtschaftsnetzwerk Mitbegründer Gerhard Edelsbacher
im Interview …
• … zur Selbstinszenierung von Kammerfunktionären auf Kosten aller und dem, was Unternehmerinnen und Unternehmer stattdessen von ihrer Interessensvertretung brauchen